Wiesen und Weiden.

Wiesen und Weiden machten früher mit fast 4,8 Millionen Hektar etwa 20 Prozent der deutschen Landesfläche aus. Doch seit vielen Jahren sind sie bedroht. Mehr als 600.000 Hektar Grünland mussten seit 1991 weichen. Das entspricht circa die dreifache Größe des Landkreises Wittenberg. Viele Tiere und Pflanzen verloren dadurch ihren Lebensraum, wodurch die Artenvielfalt rapide sank.

Das Grünland, wie wir es kennen, entstand unter dem Einfluss des Menschen und bleibt auch nur durch unsere Hilfe bestehen. Grasende Tiere schützen unsere Weiden vor Verbuschung und Wiesen werden durch regelmäßiges Mähen reguliert. Ohne diesen Eingriff würde die Landschaft durch natürliche Sukzession allmählich von Büschen und Bäumen besiedelt und schließlich in einen Wald übergehen.

Mehr als 2.000 höhere Pflanzenarten, was einem heimischen Gesamtbestand von 52 Prozent entspricht, kommen im Grünland vor. Auf Feuchtwiesen leben etwa 3.500 Tierarten, darunter Bienen, Insekten sowie vom Aussterben bedrohte Vögel wie Kiebitz, Uferschnepfe oder Braunkehlchen.

Viele Dienstleistungen, die uns die Natur gänzlich kostenlos zur Verfügung stellt und die unser Überleben auf der Erde bestimmen, werden durch ein funktionierendes Netz von Wiesen und Weiden gewährleistet. Bodenerosion wird verhindert, Klima und Trinkwasser geschützt und für den Menschen sind sie mit ihrer Vielfalt an Farben, Formen und Strukturen ein Ort der Ruhe, der Erholung und des Naturerlebens.

Wichtig für Wasser und Boden.

Aufgrund seiner durchgängigen Pflanzendecke, des stark durchwurzelten Bodens und des erhöhten Humusgehaltes speichert Grünland doppelt so viel Wasser wie Ackerland. Somit ist der Erhalt von Wiesen und Weiden ein natürlicher Hochwasserschutz.

Grünland bietet auch die beste Basis für sauberes Grundwasser. Das dichte Wurzelgeflecht einer dauergrünen Fläche filtert optimal das durchsickernde Oberflächenwasser und hat im Gegensatz zum Ackerland kaum Probleme mit erhöhter Nitratbelastung.

Wiesen und Weiden erfüllen zusätzlich eine wichtige Funktion im Boden- und Erosionsschutz. Gerade in Hanglagen und Überschwemmungsgebieten verhindert das Grünland, dass der Boden abgetragen werden kann. Die starke Durchwurzelung der Erde und der dichte Bewuchs wirken der Erosion entgegen. Verluste auf Ackerland sind im Vergleich doppelt, vereinzelt sogar zehnmal so hoch.

Ein Paradies für die Artenvielfalt

Auf Grünland ist der Artenreichtum enorm. Gräser und andere lichtliebende Pflanzen überwiegen in der Flora auf den oft bunt blühenden Wiesen und Weiden. Durch rasches Wachstum sowie schnelles Blühen und Fruchten sind sie an die extensive Nutzung perfekt angepasst.

Im Schnitt wachsen auf intensiv genutzten Wiesen nur 10 bis 20 verschiedene Pflanzenarten, auf extensiv genutzte Wiesen sind es 50 und mehr. Unter ihnen leuchtende Nelken, filigrane Glockenblumen, stolze Margeriten und unzählige Köpfchen der Schafgarbe. Die große Artenvielfalt bietet somit auch eine Grundlage für die ebenfalls vielfältige Fauna. Auf wenige Quadratmeter können hunderte Insekten und Spinnen sowie Bienen, Schmetterlinge und Ameisen vorkommen.

Von ebenso großer Bedeutung ist das Grünland für Vögel. Rotmilan, Turmfalke und Schleiereule profitieren vom reichen Kleinsäugerangebot, die wiederum auf Wiesen und Weiden schmackhafte Leckerbissen finden. In der Luft jagen Feldlerche, Mauersegler, diverse Schwalbenarten nach Insekten.

Außerdem trifft man gefährdete Grünlandbrüter wie Kiebitz, Uferschnepfe oder Braunkehlchen, die fast ausnahmslos auf der Roten Liste stehen. Weiden und Wiesen dienen für die Fauna somit als Brut- und Lebensraum sowie als Futterquelle.

Regulierung des Klimas

Nach Berechnungen der Europäischen Union binden Wiesen, Weiden und Wälder in Europa jährlich mehr als 100 Millionen Tonnen CO₂. Ackerland hingegen macht genau das andere – bis zu 40 Tonnen Kohlenstoffdioxid, der im Humusanteil des Bodens gespeichert wird, freigesetzt. Die im Boden gebundene Kohlenstoffmenge ist etwa doppelt so groß wie die in der Atmosphäre und dreimal so groß wie die in der Vegetation. Somit ist Grünland ein kostengünstiges und sofort einsetzbares Mittel zum Klimaschutz, wenn es dementsprechend geschützt und gepflegt wird.

Ein Paradies für den Menschen

Aber auch für uns Menschen bieten Wiesen und Weiden einen entscheidenden Vorteil. Wer geht nicht gern raus in die blühende, farbenfrohe Natur. Grünlandregionen sind mit ihrem typischen Landschaftsbild prägend für die Kulturlandschaft Mitteleuropas. Städter*innen kehren gern immer wieder an Orte zurück, an denen Kühe, Ziegen oder Schafe grasen und eine „heile Welt“ mit naturgemäßer Landbewirtschaftung zum Erleben und Ruhen einlädt.

Auch für die Gesundheit ist eine funktionierende Natur enorm wichtig. Frische und klare Luft kann viele Krankheiten regulieren. Nicht umsonst findet man zahlreiche Kureinrichtungen im ländlichen Raum.

Somit entwickelt sich stetig ein nachhaltiger Tourismus im ländlichen Raum. In Kombination mit einer artenreichen und ästhetisch schönen Umgebung kann Grünland zu einem zweiten Standbein für landwirtschaftliche Betriebe und der hiesigen Bevölkerung werden.

Unsere Wiesen und Weiden sind in Gefahr

Über viele Jahrhunderte hinweg schufen und sicherten die Landwirte unser Grünland. Mittlerweile geht dieser Trend aber in die falsche Richtung. Die Vielfältigkeit und der Artenreichtum werden allmählich zerstört und der Anteil von Wiesen und Weiden geht immer mehr zurück.

Dabei liegt die eigentliche Schuld weiterhin nicht bei den Landwirten. Diese handeln nach den Regeln, die ihnen der freie Markt aufzwingt. Immer größere Massen von landwirtschaftlichen Produkten werden zu immer geringeren Preisen produziert. Die Folgen dieser Entwicklung sind schwerwiegend: immer mehr Ackerflächen entstehen aus Grünland und die wenigen noch verbleibenden Flächen werden immer intensiver genutzt. Es wird reichlich gedüngt und bis zu sechsmal im Jahr gemäht. Dabei geht es inzwischen nicht mehr allein um Viehfutter, sondern auch um Energiegewinnung. Immer mehr Landwirte steigen in den Biogas-Boom ein.

Durch die intensivierte Nutzung gelten mittlerweile mehr als 40 Prozent der heimischen Pflanzenarten im Grünland als gefährdet. Eine Problematik, die sich natürlich auch in der Tierwelt wiederfindet.

Der Erhalt des Grünlandes

Sind artenreiche Wiesen und Weiden heute noch realistisch oder gelten sie als Relikt alter Zeiten? Ein naturbewusster Mensch findet eine Antwort auf diese Frage wahrscheinlich recht schnell.

Etwas schwieriger dürfte die Antwort bei den Landwirten ausfallen. Der Spagat aus Landschaftspflege und Wirtschaftlichkeit wird angesichts der Marktpreise immer schwieriger. Somit wird der Wert einer Wiese nicht nach ihrer Schönheit und Artenvielfalt ermittelt, sondern auch ihrem Wert als Viehfutter. Im Idealfall sollte Grünland so bewirtschaftet werden, dass eine ausreichend hohe Futterleistung erwirtschaftet und gleichzeitig die Artenvielfalt geschützt wird.

Aber auch der finanzielle Aspekt darf nicht vergessen werden. Das Land Sachsen-Anhalt unterstützt Landwirte mit Mitteln des europäischen Landwirtschaftsfonds für die Entwicklung des ländlichen Raums (ELER) bei Vorhaben des Naturschutzes und des Umweltschutzes. Dazu gehört unter anderem auch die Stärkung der Grünlandförderung, bei der die Vielfalt von Pflanzenarten eine wichtige Rolle spielt.

Die Maßnahmen, die zur Erhaltung der Wiesen und ihrer Artenvielfalt beitragen, sind in der Regel recht einfach und bekannt: weniger Düngen, weniger Mähen, weniger Entwässern, die Beweidung wieder einführen.